Grüner Tee gegen Stress

Das besonders im grünen und weißen Tee vorhandene EGCG hemmt Cortison und wirkt gegen Stress. Gastbeitrag von Uwe Pfaff, Universität Autonoma, Madrid.

Tee für Stressabbau: Gastbeitrag von Uwe Pfaff

Als mich die Email von Herrn Pfaff mit einem Themenvorschlag „Tee und Stress“ erreichte, war ich gleich in zweifacher Hinsicht erfreut. Zum Einen hatte er mir zur Veröffentlichung einen wunderbaren Fachbeitrag gesendet, dem ich nichts hinzufügen möchte, zum Anderen war ich über den Text des Anschreibens erfreut, den ich kurz in Auszügen wiedergeben möchte:

Lieber Herr Dr. Schweikart,

weil ich gestern (wieder einmal) einen Anflug von einer Frühlingsgrippe erfolgreich mit Ihrem 2-min 100°C -Grüner-Tee-Trick verhindern konnte, habe ich mir heute Zeit genommen und als Dankeschön den besprochenen Artikel über die Wissenschaft hinter dem Tee geschrieben.

Paket aus Gyokuro, Sencha, Bancha und Matcha am Effektivsten

Es sei mir gestattet vorab zu erwähnen, dass das so gelobte und wirkungsvolle Catechin „EGCG“ außerhalb von Krankheiten oder besonderen Anwendungen aus meiner Sicht nicht täglich in großen Dosierungen eingenommen werden sollte. Mich erreichen immer wieder viele Leserzuschriften, die sich nach dem Tee mit den größten Mengen an EGCG erkundigen, oder ob man nicht doch gleich Teepulver, z.B. Matcha oder auch Grünteeextrakt, täglich einnehmen sollte. Meine Erfahrung hierzu ist aber, dass es vollständig ausreicht, ja sogar wesentlich besser ist, wenn nur eine bestimmte Menge an grünem Tee über den Tag verteilt getrunken wird. Hierzu empfehle ich grundsätzlich das Gesundheitspaket aus den vier wichtigsten Grünteesorten (morgens eine Portion Gyokuro, mittags Sencha und abends Bancha, sowie 2 -3 x pro Woche Matcha). Dieses Paket wirkt unter anderem auch optimal zum Stressabbau. Details finden sich im Beitrag Grüner Tee für die Gesundheit. Größere Mengen an Catechinen belasten den Körper auf Dauer und sollten nur bei bestimmten Krankheiten und bei speziellen Anwendungen bewusst eingenommen werden. Weitere Informationen finden sich dazu im Beitrag Wirkung von grünem Tee.

Ausserdem sei erwähnt, dass es in der Tat sehr förderlich ist, zusätzlich oder abwechselnd zu den vorgenannten Grünteesorten auch andere Teesorten zu trinken. Sehr lobend gegen Stress ist insbesondere die weiße Teesorte Silbernadeltee (www.weissertee.net) hervorzuheben. Dieser sollte nicht täglich, sondern eher maximal 3-4 x pro Woche eingenommen werden. 

Dr. Jörg Schweikart

Uwe Pfaff ist Mitarbeiter der Grupo de Neurocomputación Biológica der Universidad Autónoma de Madrid und als Ex-Hamburger leidenschaftlicher Teegeniesser. Sein Beitrag wurde unverändert übernommen:

Stress ist eine sinnvolle Steinzeit-Reaktion und betrifft den ganzen Körper. Noradrenalin, Adrenalin und Cortisol sind die wichtigsten Stresshormone.

Stress hat sehr vielfältige Wirkungen auf unseren Organismus und ist zunächst einmal eine sinnvolle Überlebensreaktion, die uns das Überleben sichert. Wir brauchen sogar Stress, denn bis zu einer bestimmten Schwelle ist er gesundheitsfördernd, dann wird er als Eustress, als der „gute“ Stress bezeichnet. Wird diese Schwelle jedoch überschritten, insbesondere in langanhaltender Weise, dann setzen die schädigenden Stresswirkungen ein, die Wissenschaft nennt das Distress, den „bösen“ Stress. Diese Schwelle ist für jeden Menschen und auch für verschiedene Stressoren, Lebensumstände und Lebensabschnitte unterschiedlich.

Stress entsteht, wenn unser Gehirn beim Interpretieren unserer momentanen Lebenssituation meint, und zwar meist relativ unbewusst, dass wir uns gerade in einer Anforderungssituation (Eustress) oder gar einer Gefahrensituation (Distress) befinden. Aber auch körperliche Situationen wie z.B. Infektionen oder hohe Außentemperatur usw. lösen eine Stressreaktion aus. Bei Anforderung oder als Alarmreaktion bei Gefahr setzt das Gehirn blitzartig sehr vielfältige Reaktionen in Gang, die alle Organe und Systeme des Körpers auf diese Situation anpassen sollen. Medizinisch ist eine Reaktion besonders wichtig, nämlich die Aktivierung der sog. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse, klingt zwar sehr kompliziert, aber keine Angst: Der Hypothalamus ist ein Gehirnbereich, der die Grundvoraussetzungen unseres Lebens konstant hält (Homöostase), wie z.B. Regulation der Körpertemperatur, des Blutdrucks, Salzgehalt des Blutes usw. Wenn andere Gehirnabschnitte den Befehl geben, schüttet der Hypothalamus über bestimmte Nervenzellen das Hormon CRH (Corticotropin-releasing Hormone) aus. Dieses erreicht den Vorderlappen der Hirnanhangsdrüse (Hypophyse) und löst dort die Freisetzung von ACTH (Adrenocorticotropes Hormon) in die Blutbahn aus. So gelangt ACTH in die Rinde der Nebenniere. Dort werden nun bestimmte Zellen in der sog. Zona fasciculata zur Freisetzung von Cortisol ins Blut angeregt. Diese Stress-Kaskade begrenzt sich selbst durch sog. Endprodukthemmung, d.h. Cortisol hemmt die Ausschüttung von CRH und zwar mit einer schnellen Reaktionszeit (Minuten). Cortisol wird uns gleich noch weiter beschäftigen.

Im Fall einer Stressreaktion löst das Gehirn aber auch noch eine viel bekanntere Reaktion aus: Über bestimmte Nervenbahnen des Autonomen Nervensystems, dem sog. Sympathicus, die an fast alle Organe des Körpers angeschlossen sind, wird blitzschnell (weniger als eine Sekunde) Noradrenalin ausgeschüttet. Weil diese Nervenbahnen genau an den strategisch wichtigen Stellen der Organe liegen, wird also Noradrenalin sofort und auch noch genau dort freigesetzt, wo es seine maximale Wirkung entfalten kann. Diese sog. sympathischen Nervenbahnen sind mit fast allen Organen verbunden, so auch mit der Nebenniere und zwar mit ihrem Inneren, dem Nebennierenmark. Jene sog. sympathischen Nervenimpulse lösen dort eine etwas langsamere (d.h. in Sekunden), aber hochdosierten Freisetzung von einer Mischung aus 20% Noradrenalin und 80% Adrenalin in die Blutbahn aus. Adrenalin und Noradrenalin sollen kurzfristig die Energiebereitstellung gespeicherter chemischer Energie des Körpers erhöhen, damit man z.B. besser vor einer Gefahr weglaufen kann (Flucht) oder den Aggressor angreifen kann (Kampf).

Was nun geschieht, kennen wir alle: Das Herz rast, d.h. die Herzfrequenz steigt, der Blutdruck steigt, man fängt an zu schwitzen, die Pupillen erweitern sich. Unbemerkt wird vermehrt Glucose (Traubenzucker) ins Blut freigesetzt, aber es werden auch vermehrt freie Fettsäuren bereitgestellt im Blut durch Abbau sog. Trigylceride (Lipolyse). Glucose und die Fettsäuren dienen der Energiegewinnung in den Zellen, sie sind sozusagen der „Diesel für unsere Motoren“. Die Muskulatur wird vermehrt durchblutet, während das Verdauungssystem und die Sexualfunktionen in den Ruhezustand geregelt werden und der Schließmuskel der Harnblase sich zusammenzieht: In Notfallsituationen sollte sich der Körper lieber nicht der Verdauung, der Ausscheidung und der Fortpflanzung widmen, sondern sein momentanes Überleben sichern. Periphere Gefäße ziehen sich zusammen, z.B. bekommt man kalte Hände und Füße. Die Bronchien erweitern sich und die Atemfrequenz steigt, damit die Atmung für eine Flucht oder einen Kampf unterstützt wird. Obwohl das im Nebennierenrindenmark freigesetzte Adrenalin die Blut-Hirn-Schranke nicht überwinden kann, führen interne Prozesse im Gehirn bei der Stressreaktion dazu, dass aufwändige und präzise Denkprozesse im Gehirn unterdrückt, dafür aber schnelle und eher oberflächlichere Standard-Notfallreaktionen begünstigt werden. Das kann dazu führen, dass in Prüfungssituationen das Wissen plötzlich nicht mehr zugänglich ist, man erlebt einen „Blackout“. Wenn wir an Piloten oder Politiker denken, dann wird klar, dass Entscheidungen unter Stress fatale Folgen haben können.

Das schon erwähnte Stresshormon Cortisol steigert in der Leber die Neusynthese von Glucose aus anderen Ausgangsstoffen (Gluconeogenese), unterstützt die beschriebene lipolytische Wirkung von Noradrenalin und Adrenalin, reduziert knochenaufbauende Prozesse (was langfristig Osteoporose begünstigen kann), und steigert den Abbau von körpereigenen Proteinen (Proteolyse), was man als katabole Wirkung bezeichnet, z.B. wird Muskelmasse abgebaut. Übrigens, das Gegenteil, die Aufbauprozesse, nennt man anabol, das kennt man aus den Medien z.B. vom Doping der Profi-Sportler, die sog. Anabolika missbrauchen. Darüber hinaus unterdrückt Cortisol Immunreaktionen, deswegen kann Distress z.B. zu vermehrten Erkältungen führen. Aber auch die Wundheilung wird durch zu viel Cortisol behindert: In einer Studie aus dem Jahr 1998 brauchten Zahnmedizinstudenten, die eine definierte kleine Wunde drei Tage vor einem wichtigen Examen erlitten, 40% länger für die Heilung im Vergleich zum Gegenversuch mit derselben Wunde bei den identischen Personen, während diese im Urlaub waren. Zuviel Cortisol führt zu einer vermehrten Wahrscheinlichkeit, Übergewicht zu entwickeln, u.a. steigert es den Appetit.

Im Gegensatz zu Noradrenalin und Adrenalin wirkt Cortisol eher langfristig (ab 12 Stunden), indem es im Zellkern Ablesevorgänge vom Erbgut (DNA) verändert und zwar von denjenigen Genen, die z.B. mit den Entzündungsvorgängen zusammenhängen. Es sind aber weitere, sehr komplexe Körpersysteme betroffen, die von den Genen gesteuert werden. Während Noradrenalin und Adrenalin den Körper eher an kurzfristige Anforderungen und Gefahren anpassen sollen, ist also Cortisol eher für die Anpassung an längerfristige Stressoren verantwortlich. Im Zusammenhäng mit Dauerstress in den Industrienationen ist Cortisol also besonders interessant.  

Tee kann durch Stress überschießendes Cortisol abschwächen

Neben anderen Effekten des Tees wurde seine Wirkung auf das Cortisolsystem in der jüngsten Zeit wissenschaftlich nachgewiesen: Eine doppelt-blinde Anwendungsstudie aus der Teetrinker-Nation Nummer eins, England, genauer gesagt vom Department of Epidemiology and Public Health des University College London wurde 2007 im international renommierten Fachblatt Psychopharmacology veröffentlicht:  

Steptoe, A., Gibson, E. L., Vounonvirta, R., Williams, E. D., Hamer, M., Rycroft, J. A., … & Wardle, J. (2007). The effects of tea on psychophysiological stress responsivity and post-stress recovery: a randomised double-blind trial. Psychopharmacology, 190(1), 81-89.

Die Studie wurde mit 75 gesunden Probanden durchgeführt. 38 von den 75 Personen wurden zufällig ausgewählt und tranken in der Experimentalphase 6 Wochen lang ein coffeinhaltiges Placebo, das neben Coffein auch braunen Farbstoff und Furchtgeschmack enthielt, während die restlichen 37 Personen während dieser 6 Wochen lang Tee tranken, und zwar diejenige Menge, die vier Tassen starkem Schwarzem Tee pro Tag entspricht. Geschmack und Aussehen wurden mit dem gleichen Fruchtaromazusatz „verblendet“. Es gab also keine geschmacklichen Unterschiede, das Aussehen war auch völlig identisch und der Coffeingehalt war auch gleich. Placebo und Teegetränk unterschieden sich also nur in den Substanzen, die neben Coffein typischerweise im Schwarzen Tee vorkommen. Weder die Versuchspersonen noch die Experimentatoren wussten vor Studienabschluss, welche Tasse dem Placebo und welche dem wirklichen Tee entsprach (doppelt-blind), so können Placeboeffekte komplett kontrolliert werden und die Unterschiede in den Ergebnissen können nur noch chemische Ursachen haben durch die für Schwarztee typischen Substanzen. Damit außerdem die Teetrinkgewohnheiten der Personen vor den Experimenten keine Rolle spielten, tranken sämtliche 75 Probanden 4 Wochen lang vor dem eigentlichen Experiment, also vor der zufälligen („randomized“) Aufteilung in Placebo versus Teegruppe, alle ausschließlich nur das Placebogetränk, was als Auswaschphase („washout“) bezeichnet wurde. Vor Beginn der Aufspaltung in Placebo und Teegruppe („pre“) und nach den 6 Wochen des eigentlichen Experiments („post“) wurden die Versuchspersonen beides Mal einem genau definierten Stressreiz im Labor ausgesetzt. Dabei wurden u.a. die Cortisolspiegel durch bequeme Speichelproben gemessen: Vor dem Stressreiz („Baseline“) wurde gemessen, genau nach dem Stressreiz („Post-task“) und dann weitere Folgeproben nach 15, 30 und 50 Minuten. Hier die leicht bearbeitete Grafik aus der Orginalpublikation, die gestrichelte Linie repräsentiert die Placebogruppe, die durchgezogene die Teegruppe. Die Punkte entsprechen den Mittelwerten und die Balken („whiskers“) zeigen ein Maß für die Streubreite über die Personen an (sog. standard error of the mean). Hinter jedem Punkt stehen also 38 bzw. 37 Versuchspersonen: 

Tee-gegen-Stress-Cortisol

Wie man deutlich erkennen kann, ist die Speichel-Cortisol-Konzentration in der Baseline identisch zwischen beiden Gruppen, im Post-task Messzeitpunkt und auch nach 15min ist sie unwesentlich niedriger in der Placebogruppe. Jedoch nach 30 und vor allem ganz deutlich nach 50min wird dann der Unterschied zur Placebogruppe so gross, d.h. die Cortisol-Speichelkonzentrationen sinken so stark ab, dass sich die Balken nach 30min kaum und nach 50min überhaupt nicht mehr überlappen, was man als Signifikanz bezeichnet. Signifikanz bedeutet, daß. zumindest für den Zeitpunkt 50min die Unterschiede zwischen Placebo und Teegruppe so extrem sind, dass sie sehr weit von Zufallsstreuungen entfernt sind und ganz klar einen starken Effekt anzeigen. Das Versuchsdesign erlaubt eine klare kausale Schlussfolgerung: Für diesen Effekt nach 50min können nur diejenigen Substanzen verantwortlich sein, die zusätzlich zum Coffein im Schwarzen Tee enthalten sind.

Das Trinken des Schwarzen Tees über 6 Wochen hat also kausal die Abklingvorgänge der körperlichen Konsequenzen des Stressreiz im Biomarker Cortisol verbessert, d.h. die Stressreaktivität, oder auch post-stress recovery genannt, wurde wesentlich verbessert. Dieser Effekt konnte übrigens nicht nur objektiv biochemisch, sondern auch im subjektiven Empfinden durch Fragebögen zum Stresserleben nachgewiesen werden. Der Schwarze Tee hilft also kausal dabei, dass wir uns schneller beruhigen können nach einem Stressreiz, ohne die Fähigkeit zu beeinträchtigen, kurzfristig adäquat auf ihn zu reagieren, das post-stress cortisol ist geringer und auch das subjektive Stresserleben. Mit Hinblick auf die gesundheitlichen Folgen des Distress kann also Tee dazu beitragen, dass wir „stressfester“ werden.

Jetzt stellte sich natürlich die Frage, wie sich dieser Effekt vielleicht erklären lassen könnte, d.h. nachdem nun beobachtet wurde, dass Teetrinken auf das Cortisolsystem tatsächlich wirkt, wäre es ja auch interessant zu wissen, welche molekularen Mechanismen dahinter stecken. In diesem Zusammenhang wurde im Januar 2014 eine Studie des Toxikologischen Instituts der Universität Kiel veröffentlicht, ebenfalls in einem sehr renommierten internationalen Fachblatt, PLOS one, sie ist im Internet in Englischer Sprache frei und kostenlos zugänglich: http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0084468

Den Kieler Forschern gelang der Nachweis, dass wässrige Zubereitungen von Grünem (nicht-fermentiert), Weißem (halbfermentiert) und Schwarzem Tee (fermentiert) ein bestimmtes Enzym im Körper kompetitiv hemmen, d.h. mit dem natürlichen Substrat um die Bindungsstelle am Enzym konkurrieren, ohne selbst die biologische Aktivität dieses Substrates zu besitzen. Dieses Enzym ist die sog. 11-beta Hydroxysteroid-Dehydrogenase, kurz 11β-HSD und befindet sich in unseren Körperzellen an einer speziellen Struktur, die man das endoplasmatische Retikulum nennt. Das Enzym kommt in zwei Varianten im Menschen vor, also als Typ 1 und Typ 2. Typ 1 kommt vorwiegend in der Leber, Fettgeweben, Lunge und speziellen Immunzellen im Blut, den sog. Makrophagen vor, während Typ 2 in den Nieren, den Speicheldrüsen, dem Dickdarm und der Plazenta des kindlichen Foetus bei Schwangeren gefunden wurde. Die natürliche Aufgabe dieser Enzyme im menschlichen Körper besteht darin, die lokalen Gewebekonzentrationen von Cortisol zu regulieren, wobei Typ 1 die lokalen Cortisolkonzentrationen steigert, und Typ 2 diese mindert. Dies geschieht dadurch, dass das biologisch aktive Cortisol in eine Form überführt werden kann, die biologisch inaktiv ist, das Cortison. Cortisol kann an seine Bindungsstellen andocken und seine Reaktionen auslösen, während Cortison das nicht kann, es passt dort nicht hinein. Cortisol und Cortison unterscheiden sich nur in einem kleinen Detail an einem Kohlenstoffatom seines Moleküls, dass nach internationalen Bezeichungsregeln als 11-beta bezeichnet wird. Im Fall des Cortisols ist hier eine Hydroxy-Gruppe (OH) einfach gebunden, beim Cortison wurde diese durch eine Carbonylgruppe (C=O) mit doppelt gebundenem Sauerstoffatom (O) ersetzt. Die Umwandlung von Cortisol zu Cortison wird durch das Enzym 11β-HSD in seinen zwei Formen durchgeführt: 

 Cortisol-Cortison-Stress-Tee

Die Kieler Forscher wiesen nach, dass die 11β-HSD1 verdünnungs- bzw. dosisabhängig am stärksten durch den Grünen Tee gehemmt wurde, weniger durch Weissen Tee und am wenigsten durch Schwarzen Tee. Dadurch wird die Rückreaktion vom Cortison zum Cortisol stark reduziert, während die Hinreaktion vom Cortisol zum Cortison durch 11β-HSD2 offenbar kaum beeinflusst wird. Das Ergebnis ist, dass in den peripheren Geweben Cortisol vermehrt inaktiviert wird.

Nun wollten die Forscher genau wissen, welche Substanz im Tee am stärksten die 11β-HSD1 hemmt und fanden heraus, dass unter allen untersuchten Reinsubstanzen das Epigallocatechingallat (EGCG) der potenteste Hemmer ist, von dem man weis, dass er besonders konzentriert im Grünen Tee enthalten ist. Es bindet an das Aktive Zentrum des Enzyms und verdrängt kompetitiv das natürliche Substrat, das Cortison. Weil es sich um eine kompetitive Hemmung handelt, ist seine Wirkung dosisabhängig.

Offenbar scheint die nun erforschte Hemmung der 11β-HSD1 ein wesentlicher Faktor für die vielfältigen gesundheitsfördernden Teewirkungen zu sein, indem er in unseren Cortisolstoffwechsel eingreift und damit in das Stressgeschehen.

Fazit

Wie mit allem im Leben, sollte man es mit dem Tee natürlich auch nicht übertreiben, viel hilft eben nicht viel, sondern kann im schlimmsten Fall sogar schaden. Das wusste auch schon der Arzt, Alchemist, Astrologe, Mystiker, Laientheologe und Philosoph aus der Frühen Neuzeit, Philippus Theophrastus Aureolus Bombastus von Hohenheim, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Paracelsus: „Alle Dinge sind Gift, und nichts ist ohne Gift; allein die Dosis machts, dass ein Ding kein Gift sei.“ An dieser Stelle sei an die Substanz 3-Methylindol (Skatol) erinnert, die u.a. für den typischen bestialischen Gestank der Fäkalien verantwortlich ist, in hoher Verdünnung jedoch sehr angenehm blütenartig riecht und deshalb in der Parfümerie verwendet wird.   

Nur noch Grünen Tee zu trinken ist auch nicht sinnvoll, weil es auch spezielle Substanzen im Schwarzen Tee gibt, die gesundheitsfördernd sind, aber bisher noch nicht gut erforscht wurden. Die Ausschüttung von Cortisol auch ohne Stressreize folgt einem klaren Tagesprofil, mit einer Spitze (Peak) am Morgen. Vielleicht wäre es also eine gute Idee, morgens eher Grünen Tee und gegen Nachmittag oder abends eher Schwarzen Tee zu trinken. Ein Abstand von mindestens 30 min vor den Hauptmahlzeiten ist zu empfehlen, weil Tee u.a. die Eisenaufnahme behindern kann. Bitte keine Milch zusetzen, die kann die Teewirkungen aufheben, ein Spritzer Zitronensaft jedoch kann die Wirkungen verstärken, weil die Aufnahme der gesundheitsfördernden Substanzen verbessert wird.

Was wir nun ganz aktuell wissenschaftlich und sehr konkret ansatzweise nachvollziehen können, war unseren Vorfahren, insbesondere den Asiaten, seit tausenden Jahren durch Erfahrung bekannt. Weltweit ist Tee auch heutzutage das zweithäufigste Getränk der Welt, nach purem Wasser auf Platz eins. Aber auch wir Deutschen kennen nicht umsonst die alte Redensart Abwarten und Tee trinken. Der chinesische Gelehrte T’ien Yi-Heng brachte es 1570 auf den Punkt („Über das Kochen von Quellwasser“) und berücksichtigte dabei auch eine soziökonomische Perspektive:  „Man trinkt Tee, um den Lärm der Welt zu vergessen; er ist nichts für diejenigen, die teuer essen und sich mit Pyjamas aus Seide bekleiden.“ Er sagte also mit anderen Worten, dass Tee gar nichts für reiche Pinkel ist, sondern vielmehr für das Volk ist, das hart arbeitet: Tee ist nicht Luxus, Tee ist Lebensmittel.

© Hanns Uwe Pfaff, Madrid
(Grupo de Neurocomputación Biológica, Universidad Autónoma de Madrid)